Internationale Statistiken haben die grösste Aussagekraft, wenn sie vergleichbar und vollständig sind. Seit nunmehr dreissig Jahren unterstützt das EFTA Statistical Office (ESO) in Luxemburg die nationalen und internationalen Behörden bei der Erfüllung dieser Aufgabe auf vielfältige Weise.
Wer das ESO besucht, muss nebst einer mehrstündigen Anreise von der Schweiz nach Luxemburg einen «Eintrittstest» bei Eurostat überstehen: Freundliche uniformierte Herren bitten Besuchende auf Französisch, sich auszuweisen, das Gepäck zwecks Sicherheitskontrolle auf die Förderbänder der Röntgenapparate zu legen und die Körpertemperatur messen zu lassen. Nach einem längeren Fussmarsch durch das Labyrinth des riesigen Eurostat-Gebäudes, weist unverhofft ein Plakat darauf hin, dass die folgenden Büros der Europäischen Freihandelszone EFTA zugeteilt sind. Spätestens ab hier wird auf Englisch kommuniziert, da dies die Sprache ist, in der zwischen den vier Mitgliedsstaaten – Island, dem Fürstentum Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz – verhandelt wird.
Genau wie das EFTA-Sekretariat – das an seinen Standorten Genf, Brüssel und Luxemburg nur knapp 90 Mitarbeitende zählt – ist auch das ESO schlank aufgestellt. Vier Festangestellte, ein Short Term Expert und ein Trainee widmen sich der Hauptaufgabe dieses Verbindungsbüros: dem Sicherstellen des Einbezugs der EFTA-Länder in das sich weiterentwickelnde Europäische Statistiksystem (ESS). Zudem koordinieren sie die administrativen und rechtlichen Prozesse rund um das EWR-Abkommen, organisieren Schulungen wie auch Konferenzen und kümmern sich um die Kommunikation zwischen den EFTA-Statistikbehörden und Eurostat. Die Büros befinden sich inmitten der Eurostat-Verwaltung und die Türen stehen immer offen. Dies fördert den gegenseitigen Austausch und setzt ein wichtiges Signal: Das ESO sieht Eurostat und weitere wichtige Akteure wie die UNECE und die nationalen Ämter als Partner, die auf das gleiche Ziel hinarbeiten.
Das ESO nimmt im Zusammenspiel der nationalen Statistikämter und der internationalen Organisationen eine wichtige Scharnierfunktion ein. Volker Täube, Direktor des ESO, sagt: «Mit unserer Tätigkeit stellen wir nicht nur die reibungslose Zusammenarbeit zwischen der EFTA und der EU im Bereich Statistik sicher, sondern unterstützen auch zahlreiche weitere Staaten ausserhalb des ESS in ihren Bemühungen, Statistiken in höchster Qualität zu produzieren.» Schwerpunkte dieser technischen Kooperation sind die Kandidatenländer (Westbalkan und Türkei), sowie und die ehemaligen und aktuellen GUS-Staaten.
Marius Andersen, Stellvertretender Leiter des ESO ergänzt: «Wir fördern den internationalen Erfahrungsaustausch auf allen Stufen der Verwaltung und bieten auch praktische Ausbildungen auf verschiedensten Gebieten des Themenbereichs Statistik.» So hat das ESO Ende September 2021 gemeinsam mit dem norwegischen Statistikamt einen Kurs zur Nutzung des Geografischen Informationssystems GIS auf Englisch und Russisch angeboten, bei der Mitarbeitende zahlreicher GUS-Staaten im Umgang mit diesem Werkzeug geschult wurden. Dies alles geschieht nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Corona-Situation zeitsparend und kostengünstig per Videokonferenz. Aufgrund der sich ständig ändernden politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen wird die Arbeit dem ESO nicht so schnell ausgehen.
Die EFTA: Die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association, EFTA; Association européenne de libre-échange, AELE) wurde 1960 in Stockholm gegründet. Sie umfasst heute Island, das Fürstentum Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz, nachdem zuvor einige weitere Staaten zur EU übergetreten waren. Trotz der geringen Gesamtbevölkerung von nur gut 14 Millionen Menschen ist die EFTA weltweit der neuntgrösste Block im Warenhandel und der fünftgrösste im Dienstleistungsverkehr. Sie ist zudem der drittwichtigste Handelspartner der EU im Warenhandel und der zweitwichtigste im Dienstleistungsbereich. Anders als die EU beschränkt sich die EFTA auf die Förderung des Handels und die Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit untereinander und mit dem Rest der Welt.
Die EFTA wird durch ihren Generalsekretär, den Schweizer Botschafter Henri Gétaz, geleitet. Bei der EFTA arbeiten knapp 90 Mitarbeitende, welche hauptsächlich aus den vier Mitgliedsstaaten stammen. Diese Zahl schliesst weitere Institutionen wie den EFTA-Gerichtshof nicht ein. Die Angestellten verteilen sich auf die drei Standorte Genf, Brüssel und Luxemburg (EFTA Statistical Office).
Ein halbes Jahr im Ausland: Beim EFTA Statistical Office in Luxemburg können Mitarbeitende statistischer Ämter der Mitgliedsstaaten jedes halbe Jahr ein Praktikum als Short Term Expert absolvieren. Wichtige Aufgaben sind das Monitoring der Eurostat-Statistiken, die Kommunikation des ESO und die Mithilfe bei der Durchführung internationaler Konferenzen. Dabei lernen sie die Funktionsweise internationaler Organisationen kennen. Typischerweise werden Mitarbeitende des BFS oder anderen Ämtern der offiziellen Statistik im Winterhalbjahr (September bis Februar) nach Luxemburg entsendet. Das Vertragsverhältnis mit dem Schweizer Arbeitgeber bleibt dabei vollumfänglich bestehen. Zusätzlich zum regulären Gehalt werden die Short Term Experts für ihre Umtriebe finanziell entschädigt, was auch die Unterkunft in einem Studio einschliesst. Im BFS steht der Dienst International (international@bfs.admin.ch) für Auskünfte zur Verfügung.
Das Land Luxemburg: Das zweitkleinste EU-Mitgliedsland ist mit 2’586 Quadratkilometern Fläche nur wenig grösser als der Kanton St. Gallen und grenzt an Belgien, Deutschland und Frankreich. Das Grossherzogtum ist eine parlamentarische Monarchie, in der rund 635’000 Menschen leben. Neben den drei Amtssprachen Luxemburgisch («Lëtzebuergesch»), Deutsch und Französisch, sind in der ausländischen Bevölkerung (rund 47%) zahlreiche weitere Sprachen verbreitet. Der Wahlspruch des Landes lautet: Mir wëlle bleiwe wat mir sinn (Wir wollen bleiben, was wir sind), doch verändert sich das Land gerade aufgrund der EU-Institutionen sowie der Finanz- und Informatikbranche rasant. Touristische Höhepunkte sind die Altstadt Luxemburgs sowie die Schlösser und Burgen in der Umgebung, die Rebberge an der Mosel und die luxemburgische Schweiz mit ihren Sandsteinfelsen. Diese können mit einem hervorragenden landesweiten öV-Angebot gratis erkundet werden.
Pascal Bisang, BFS, absolviert ein sechsmonatiges Praktikum im statistischen Büro der EFTA.